Ansprechstelle für ehemalige Verschickungskinder bei der Diakonie

Nachricht 28. November 2019

Ansprechstelle für ehemalige Verschickungskinder bei Diakonie

Hannover (epd). Die Diakonie in Niedersachsen hat eine telefonische Ansprechstelle zur Aufarbeitung von Kinder-Verschickungen in Kinderkurheime in der Nachkriegszeit eingerichtet. "Die Erinnerungen und Schilderungen der Betroffenen haben uns erschüttert", sagte Vorstandssprecher Hans-Joachim Lenke am Mittwoch in Hannover. "Dass Kinder auch in diakonischer Obhut Misshandlungen und Demütigungen ausgesetzt waren, ist nicht zu rechtfertigen. Wir drücken den Betroffenen unser tiefes Mitgefühl aus." Das Telefon ist werktags erreichbar unter 0511/3604-444.

Zwischen den 1950er und 1980er Jahren wurden überall in Deutschland Hunderttausende Kinder ab dem zweiten Lebensjahr aus gesundheitlichen Gründen über mehrere Wochen oder Monate von ihren Eltern getrennt und in Kinderkurheime gebracht. Häufige Ziele waren die Nordsee-Inseln sowie Gebirge wie der Harz. Die Kosten trugen die Krankenkassen. Viele Kinder kehrten jedoch traumatisiert zurück. Sie berichteten von Essenszwang und gewalttätiger Einfütterung durch das Pflegepersonal bis hin zum Erbrechen sowie von harten Strafen wie Schlafentzug oder Ans-Bett-Fesseln. Eltern hatten kein Besuchsrecht.

In Niedersachsen war in der vergangenen Woche der Fall einer heute 55-jährigen Frau bekanntgeworden, die als vierjähriges Kind in einem Heim in Bad Salzdetfurth bei Hildesheim misshandelt worden war. Dort sollen sogar drei Kinder zu Tode gekommen sein. Betroffene hatten sich am vergangenen Wochenende auf Sylt erstmals zu einer bundesweiten Konferenz getroffen, um das Leid aus ihrer Kindheit aufzuarbeiten, das ihnen bis heute zu schaffen macht.

Lenke kündigte an, die Diakonie wolle die Vorfälle intensiv und transparent aufarbeiten. "Wir plädieren für eine übergreifende und unabhängige Forschungsarbeit." Die Diakonie und die mit ihr verbundene Innere Mission seien wie andere Verbände der Wohlfahrtspflege sowie Kommunen, Krankenkassen und Rentenversicherungen zu dieser Zeit Träger von Kinderkurheimen gewesen. Die Aktenlage sei allerdings äußerst schwierig. Aus den wenigen bislang vorliegenden Unterlagen gehe hervor, dass teilweise zu viele Kinder von zu wenig und teilweise unzureichend qualifiziertem Personal betreut worden seien. (7240/27.11.19)

epd lnb mig