Gedenken am 1. September - Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren

Nachricht 30. August 2019
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Leitende Geistliche in Niedersachsen gedenken am Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs

Hannover: Landesbischof Meister: „Dieser Krieg mahnt die europäische Politik bis heute“

Mit dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Zum 80. Jahrestag sagt Landesbischof Ralf Meister:

„Am 1. September gedenken wir des Beginns des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren. Mehr als 60 Millionen Menschen starben, unzählige Menschen wurden an Leib und Seele verwundet. Dieser Krieg war ein Angriffskrieg aus Deutschland. So bleibt die Geschichte unseres Landes bis heute besonders  verbunden mit den Ursachen, die zu diesem globalen Gewaltakt geführt haben: Ein aggressiver, expansiver Nationalismus, eine brutale Diktatur mit systematischer Unterdrückung der Freiheitsrechte, eine massive Verrohung der Sprache und die Entwürdigung, Diskriminierung und Ermordung von sechs Millionen Menschen, Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma und zahlreichen Widerständlern. Dieser Krieg mahnt die europäische Politik bis heute. Er fordert einen starken gemeinschaftlichen Einsatz für Humanität, Gerechtigkeit und Frieden. Christinnen und Christen haben einen klaren Auftrag: Weil wir aus dem Licht der Liebe Gottes und seinem Frieden leben, setzen wir uns für Versöhnung und Frieden ein. Wir bekennen unsere Schuld und übernehmen Verantwortung für einen Frieden, der über politische und militärische Vorstellungen hinausweist. Ein Frieden, der im biblischen Sinne des "Schalom" die Bewahrung der Schöpfung und eine gerechte Verteilung der Lebensressourcen für alle Menschen umfasst."

Pastor Dr. Johannes Neukirch, Pressesprecher der Landeskirche 

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Oldenburg: Zum 80. Jahrestag sagt Bischof Thomas Adomeit:

„Die diesjährige Jahreslosung „Suche Frieden und jage ihm nach!“ (Ps 34,15) erinnert uns daran, dass der Frieden keine Selbstverständlichkeit ist. Sie ist eine deutliche Aufforderung, sich am Frieden Gottes zu orientieren. Dazu gehört auch das Erinnern und Gedenken. Der 1. September 1939 war der Beginn eines unfassbar grausamen Angriffskrieges aus Deutschland. Als Deutsche müssen wir uns daran erinnern und unsere Schuld bekennen.

Heute wissen wir aber auch: Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Die evangelischen Kirchen orientieren sich heute am Leitbild des Gerechten Friedens. Der gerechte Friede weist über militärische und politische Vorstellungen hinaus. Er beinhaltet auch den sorgsamen, nachhaltigen Umgang mit der Schöpfung und eine weltweit gerechte Verteilung von Lebenschancen und –ressourcen. Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung sollen dabei als Maßstäbe in konkretes politisches Handeln und Gestalten einfließen. Dafür treten die evangelischen Kirchen und auch die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg ein.“ 

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Leer: Interview mit Kirchenpräsident Martin Heimbucher 

Kirchenpräsident Martin Heimbucher hat in einem Interview und in einer Videobotschaft an den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren erinnert. Am 1. September begann mit dem deutschen Überfall auf Polen der größte militärische Konflikt der Menschheitsgeschichte. Heimbucher nannte den Weltkrieg einen Ausdruck des Größenwahns und der Zerstörungslust, von Beginn an ein Verbrechen. Durch den systematischen Völkermord an den europäischen Juden, aber auch an Polen, Russen und anderen Völkern, habe er sich zu einem beispiellosen Extrem gesteigert.

Der Wortlaut des Interviews:

Wofür steht für Sie der 1. September 1939?
An diesem Tag begann Hitler einen Revanchekrieg, mit dem er die deutsche Niederlage von 1918 umkehren und ein Nazi-Imperium in Europa aufrichten wollte. Mit seinem Größenwahn hat er viele Millionen Menschen in den Tod gerissen. Der Krieg war von Anfang an ein Verbrechen. Durch den systematischen Völkermord an den europäischen Juden, aber auch an Polen, Russen und anderen Völkern, wurde er zu einem beispiellosen Extrem gesteigert - und schlug am Ende auf unser eigenes Land zurück.

Müssen wir Deutsche mit Blick auf unsere Vergangenheit anders über Krieg und Vernichtung sprechen, als andere Völker?
Die verheerende Niederlage, die Zerstörung vieler Städte und die Vertreibung aus dem Osten hat die Menschen in unserem Land traumatisiert. Dieses Trauma prägte nicht nur die Generation derer, die den Krieg miterlebt hatten. Das Trauma prägte auch noch die Generation der Nachkriegskinder, zu der mein Jahrgang 1955 gehört. Die Verletzungen an Leib und Seele wirkten noch bohrender dadurch, dass mit der Zeit die Erkenntnis unausweichlich wurde: Es war unser Land, es waren unsere Väter und Mütter, die für diese Katastrophe mitverantwortlich waren. Davon können wir in unsrem Reden nicht absehen.

Wie lässt sich denn 80 Jahre später eine Haltung aufrechterhalten, die heißt: „Wir lernen aus der Geschichte“?
Die unveräußerliche Würde eines jeden Menschen muss uns heilig sein. Politisch müssen wir entschiedene Demokraten sein, für ein System der Gewaltenteilung eintreten und die Freiheitsrechte eines jeden Menschen verteidigen. Jede Generation muss neu Zivilcourage lernen und einüben. Wir müssen es begreifen und leben, dass das Gelingen unseres Zusammenlebens davon abhängt, dass wir alle dafür Verantwortung übernehmen: "die Regierenden und die Regierten", wie es die Barmer Theologische Erklärung formuliert.

Spüren Sie als Kirchenmann, da die Kirchen in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes überwiegend auch eine unrühmliche Rolle spielten, eine besondere Verantwortung?
Die Kirche muss immer wieder befreit werden von einer Beschränkung ihres Horizonts durch nationale oder ideologische Scheuklappen. Nie wieder darf die Christenheit ihre Verwurzelung im Judentum verleugnen. Es muss deutlich werden, dass wir um unseres Glaubens willen niemals gemeinsame Sache machen mit diktatorischen Regimes. Sondern dass wir mit den Bedrängten und Ausgegrenzten solidarisch sind.

Evangelisch-reformierte Kirche, reformiert.de 

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