3 Fragen an Kerstin Gäfgen-Track: Religionsunterricht

Nachricht 18. September 2019
Bevollmächtigte OLKR Dr. Kerstin Gäfgen-Track

Oberlandeskirchenrätin Dr. Kerstin Gäfgen-Track, Leiterin der Bildungsabteilung der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und Bevollmächtigte im Interview für den Newsletter der Landeskirche

Frau Gäfgen-Track, die Mitgliedszahlen der großen Kirchen sinken. Sehen Sie da auch Auswirkungen auf den Religionsunterricht?

Gäfgen-Track: Gut drei Viertel aller Schülerinnen und Schüler nehmen in Niedersachsen am Religionsunterricht teil. Es sind insgesamt weniger christliche Schülerinnen und Schüler und doch ist der Anteil derer, die den Religionsunterricht besuchen, relativ konstant. Wenn es 1990 in Niedersachsen noch 84,3 % waren und heute 75% sind, spricht dies für die Stabilität des Religionsunterrichts. 

Woran liegt das, dass es prozentual aber weniger Schülerinnen und Schüler sind?

Gäfgen-Track: Heute gehören mehr Schülerinnen und Schüler einer anderen Religion an oder sind konfessionslos als vor 15 oder 30 Jahren. Das ist nicht nur mit den abnehmenden Mitgliederzahlen der beiden großen Kirchen zu erklären. Im Jahr 2020 werden rund 54 % aller Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund besitzen und viele von ihnen stammen überwiegend aus muslimischen Ländern bzw. ihre Eltern sind muslimischen Glaubens. Und christliche Eltern lassen ihre Kinder heute vielfach erst später taufen bzw. sollen die Kinder es selbst entscheiden können, ob sie getauft werden wollen. Es gibt also weniger christliche Schülerinnen und Schüler und doch ist der Anteil derer, die den Religionsunterricht besuchen, relativ stabil. 

Religionsunterricht ist also kein „Auslaufmodell“?

Gäfgen-Track: Der Religionsunterricht ist ein modernes Fach und eindeutig kein „Auslaufmodell“: Er vermittelt nicht nur in der eigenen Religion Kompetenzen, sondern in unterschiedlichen Religionen und auch Weltanschauungen. Er will explizit den Dialog von Menschen unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen initiieren und fördern sowie Wege gemeinsamer Verantwortung für die globale Zivilgesellschaft aufzeigen. Das macht ihn zu einem unverzichtbaren Fach für das Zusammenleben in einer zunehmend von vielen unterschiedlichen Weltanschauungen, Religionen und Kulturen geprägten Gesellschaft. Dafür will der Religionsunterricht notwendige Kompetenzen vermitteln, will die Sinn- und Wahrheitsfrage offenhalten und Kindern und Jugendlichen ermöglichen, ein eigenes geklärtes Verhältnis – positiv oder negativ - zur Religion zu entwickeln.