Das Fach Werte und Normen an Grundschulen - Statement von Kerstin Gäfgen-Track

Nachricht 30. Oktober 2019

Kultusminister Grant Hendrik Tonne verkündet die Einführung des Faches Werte und Normen an Grundschulen, die kirchliche Bildungsexpertin Dr. Kerstin Gäfgen-Track nimmt auf der Loccumer Konferenz für Schulleitungen dazu Stellung.

Kultusminister Grant Hendrik Tonne verkündete am Mittwoch, 30. Oktober, die Pläne, in den kommenden Jahren das Fach Werte und Normen flächendeckend an Grundschulen einzuführen. Dies werde langfristig und von Schuljahr zu Schuljahr aufbauend geschehen, so Tonne, doch sei geplant, dass Werte und Normen ab 2025/2026 dann verbindlich für alle vier Jahrgänge an den Grundschulen angeboten werde.

Die Einführung dieses neuen Unterrichtsfachs in der Grundschule als Ersatzfach für den konfessionellen Religionsunterricht war auch Thema bei der Loccumer Konferenz für Schulleitungen an niedersächsischen Grundschulen. Dort sprach dazu u.a. Oberlandeskirchenrätin Dr. Kerstin Gäfgen-Track, in der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen zuständig für Bildungsfragen und schulische Belange. Sie erklärte diese Entwicklung in ihrem Beitrag zur Konferenz am heutigen Mittwoch, 30. Oktober, für sinnvoll: „Die Einführung des Faches Werte und Normen im Grundschulbereich ist angemessen. So wie der konfessionelle Religionsunterricht Ausdruck der positiven Religionsfreiheit ist, so ist der Unterricht Werte und Normen Ausdruck der negativen.“ Sie betonte jedoch zugleich: „Keinesfalls kann und soll der Unterricht Werte und Normen das Fach Religion an Schule ablösen, im Gegenteil. Denn Religion gehört zur Schule dazu.“ So biete gerade der konfessionelle Religionsunterricht einen Ort, um eigene religiöse Erfahrungen zu reflektieren sowie andere Position und neue weltanschauliche Überzeugungen kennenzulernen. Gäfgen-Track hob deshalb in ihrem Vortrag vor den Schulleitungen hervor: „Als Kirchen setzen wir darauf, dass der Staat weiterhin zu seiner Verantwortung für den Religionsunterricht steht und ihn fördert. Es darf nicht sein, dass Ausbildungskapazitäten, Stunden oder finanzielle Ressourcen für den konfessionellen Religionsunterricht gekürzt werden. Es ist staatliche Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das Recht auf religiöse Erziehung umgesetzt wird ebenso wie das Recht auf eine nicht-religiöse Erziehung. Es ist nicht ins Belieben von Schulleitungen oder Schulvorständen gestellt, ob und in welchem Umfang konfessioneller Religionsunterricht erteilt wird.“ Dass die evangelischen Kirchen in Niedersachsen ebenso wie die katholischen Bistümer zur Förderung und Stärkung des schulischen Religionsunterrichts einen Beitrag leisten und ihn durch Fortbildungsmaßnahmen für Lehrkräfte und Beratungsangebote für Schulen unterstützen, sei dabei selbstverständlich. Denn, so Gäfgen-Track, die Begegnungen mit Religion und der Dialog über religiöse Überzeugungen und Haltungen seien entscheidend für das schulische und gesellschaftliche Zusammenleben: „Gerade in einer Zeit, in der die gesellschaftlichen Gräben tiefer und die Heterogenität an Schulen größer wird, ist und bleibt der konfessionelle Religionsunterricht unverzichtbar.“

Text: Dr. Michaela Veit-Engelmann, RPI Loccum

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Hannover/epd. Die rot-schwarze Landesregierung in Niedersachsen will künftig das Fach "Werte und Normen" auch in Grundschulen als ordentliches Unterrichtsfach anbieten. Die Alternative zum konfessionellen Religionsunterricht solle schrittweise bis zum Schuljahr 2025/26 im Primarbereich eingeführt werden, teilte das Kultusministerium am Mittwoch mit. Die besondere Stellung des grundgesetzlich verankerten Religionsunterricht bleibe davon unberührt, betonte Minister Grant Hendrik Tonne (SPD). Die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen begrüßte die Entscheidung. 

Sie dürfe jedoch nicht zulasten des Religionsunterrichtes gehen, sagte die für Bildungsfragen zuständige Oberlandeskirchenrätin, Kerstin Gäfgen-Track, dem epd: "Es gibt eben auch Eltern, die sich eine ethische Erziehung ihres Kindes auf nichtreligiöser Grundlage wünschen." Diese Entwicklung bedeute nicht den Anfang vom Ende des Religionsunterrichts. Es werde im Gegenteil deutlich, dass ethische Bildung für alle Schülerinnen und Schüler unverzichtbar sei.

Tonne: "Eine Frage der Gleichbehandlung"

Tonne sagte, dass die religiös-konfessionelle Bindung abnehme und rund zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler an Grundschulen an keinem Religionsunterricht teilnähmen. Mit dem Fach "Werte und Normen" wolle das Land "Unterricht statt Betreuung anbieten". Das sei auch eine Frage der Gleichbehandlung. An weiterführenden Schulen in Niedersachsen existiert bereits seit 1974 ein Pflichtunterricht für Schülerinnen und Schüler, die nicht den Religionsunterricht besuchten.

Gäfgen-Track sagte, es sei wichtig, dass die gleichberechtigte Stellung der Fächer an den Schulen auch deutlich werde. Die Kirchen strebten eine gute Kooperation an. Der Staat müsse auch weiterhin zu seiner Verantwortung für den Religionsunterricht stehen und ihn fördern. Ausbildungskapazitäten, Stunden oder finanzielle Ressourcen für den konfessionellen Religionsunterricht dürften nicht gekürzt werden: "Es ist nicht ins Belieben von Schulleitungen oder Schulvorständen gestellt, ob und in welchem Umfang konfessioneller Religionsunterricht erteilt wird." 

Im übrigen wollten die katholischen Bistümer und die evangelischen Kirchen in Niedersachsen den konfessionell-kooperativen Religionsunterricht, wie er bereits an einigen Schulen erteilt werde, weiter ausbauen, sagte Gäfgen-Track. Das spare Ressourcen in Zeiten großer Vielfalt, in denen Angebote wie Werte und Normen sowie der islamische Religionsunterricht ausgebaut würden.

Das vollständige Statement im Wortlaut: https://www.youtube.com/

Evangelischer Pressedienst (epd), 30.10.2019